Die Smarte Straße als echter Eckpfeiler einer Smart Community
Das Straßen- und Wegenetz und die öffentliche Beleuchtung vernetzen physisch die Lebensadern einer Stadt. Entlang dieses Systems können die elektrifizierten Außenleuchten und die vandalensicheren Höhen der Masten neue Aufgaben übernehmen. Der Siegeszug der LED bietet zudem eine große Chance. Getrieben durch die hohe Wirtschaftlichkeit dieser Lösung, wird das Beleuchtungsnetz im Moment ohnehin angegriffen. Mit wenigen Handgriffen lässt sich eine IoT-optimierte Telekommunikationsinfrastruktur entlang der Außenbeleuchtung realisieren, die für die Beleuchtung selbst, aber auch für viele andere Anwendungen große Vorteile bietet. Kommunen erhalten dabei zudem ein kleines, öffentliches „Labor“ für mehr Bürgerbeteiligung und interne Tests von Lösungsqualität.
Dieser Artikel beschreibt, ausgehend von der LED, den Weg zur smarten Straße und intelligenten Kommune mit großartigen Optionen für mehr Bürgerbeteiligung.
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Das klassische Orange der Natriumdampflampen verschwindet zunehmend aus unserer Wahrnehmung. Die LED übernimmt die führende Rolle.
1. Außenbeleuchtung heute
Die LED hat in der Außenbeleuchtung heute eindeutig Einzug gehalten. Die Energieeinsparung durch die Technologie ist verführerisch genug, um von elektrischem zu elektronischem Licht umzusteigen. Heute kursieren widersprüchliche Zahlen zum Status der Umrüstung auf LEDs in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bloße Beobachtung zeigt aber, dass
- noch viele konventionelle Leuchten im Betrieb sind
- nahezu alle Kommunen heute Erfahrungen mit dem Umstieg auf LED gemacht
- der Großteil der neuen Ausschreibungen auf LED beruhen.
Positiv ist, dass die versprochenen Energieeinsparungen mittlerweile zutreffend sind. Die anfänglichen Probleme mit Farbstabilität und Anfälligkeit für Spannungsschwankungen wurden inzwischen gelöst. Zunehmend spielt die LED nun auch ihre Qualitäten bzgl. langer Lebensdauer aus. Dies reduziert die Wartungskosten deutlich.
Kritisch ist nach wie vor die psychologische Lichtwirkung. Ein normativ korrekter Kontrast wirkt unter Natriumdampf völlig anders als unter kaltweißen LEDs. Durch die Erhöhung der verfügbaren Lichtfarben und Farbwidergaben lässt sich dieses Problem gut beheben, muss dazu aber in der Planung eine größere Rolle spielen. Ein anderer Aspekt ist die gefühlt stärkere Blendung. Bei der großen Auswahl an Lichtverteilungen ist dies allerdings zu weiten Teilen vermeidbar. Zudem haben nordische Länder bereits heute Vorgaben für trockene und nasse Straßenverhältnisse. Wenn letzteres bei uns und in den Normen volle Anwendung findet, wird die Qualität hier nochmals deutlich steigen. Stärkere Berücksichtigung wird in den kommenden Jahren die zunehmende Verschmutzung von Leuchten spielen. Bis dato wurden diese beim regelmäßigen Leuchtmittelwechsel zumindest grob gereinigt. Es besteht also weiter Verbesserungspotential bei der Lichtqualität, aber bei sorgfältiger Planung und Ausführung sind auch gehobene Anforderungen ans Licht gut lösbar.
Enttäuschend ist allerdings die weitestgehende Ignoranz der Dimmbarkeit der LED. Wie kein Leuchtmittel zuvor, kann die LED in der Beleuchtungsstärke angepasst werden, ohne große negative Auswirkung auf eine schnellere Alterung zu haben und ohne große Verluste in der Effizienz der Leuchten in Kauf nehmen zu müssen.
Doch gerade dieser Umstand ist die Basis für den Quick-Win (siehe 2.) - und damit ein wichtiger Faktor um die Straßenbeleuchtung als begründeten Weg (siehe 3.) in die intelligent-vernetzte Infrastruktur unserer Städte (siehe 4.) zu sehen.
2. Smarte Außenbeleuchtung
Die Außenbeleuchtung produziert zumeist, sobald in Betrieb, deutlich mehr Licht als die Nutzung gerade vorgibt. Die Mindestanforderungen der EN13201 gehen von einer Mindestbeleuchtungsstärke bei einer definierten Verkehrsdichte aus. Die reale Nutzung entspricht, gerade in den Nachtstunden, selten dieser Dichte. Bereits bei viel befahrenen Straßen ist das Potential sehr hoch. Die Südosttangente Wien ist heute – nach dem Austritt Großbritanniens - die meist befahrene Straße in der EU. Messungen der Asfinag, Österreichs Gesellschaft für Autobahn und Schnellstraßen, haben ergeben, dass 69% des Energieverbrauchs eingespart werden kann. Dies erfolgt rein durch eine adaptive Anpassung der Beleuchtungsklasse an die Verkehrsdichte, in diesem Fall von ME2 - ME4b. Für Bundesstraßen und Gemeindestrassen liegt dieses Potential sicher höher. Aussagen von 80% - 90% Energieeinsparung sind fallweise zu analysieren, aber durchaus glaubwürdig.
Im Falle der Südosttangente, ist die technische Realisierung relativ einfach. Dort existieren bereits Sensoren und Programme zur Messung des Verkehrs und die Anpassung kann per Software gut vorgenommen werden. Clevere Infrastrukturen erlauben dies zukünftig immer einfacher zu gestalten (siehe 4.).
Anders die Situation der vielen Leuchten, die heute einfach umgerüstet werden. In seltensten Fällen existiert eine flächendeckende Erfassung des Verkehrs. Zudem ist der Verkehr in vielen Bereichen vielschichtiger. Autos teilen sich die Straße mit Motorrad, Fußgänger, Jogger, E-Bike Fahrer, Scooterpilot oder Inlineskater. Dabei stößt die klassische Erfassung über PIR (Passive InfraRed) schnell an Ihre Grenzen. z.B. werden Autos im Winter und kurz nach dem Anfahren sehr schlecht erkannt. Die letzten Jahre haben sich aber die Kosten von Doppler-Radar Sensoren deutlich reduziert, so dass in der Kombination beider Sensoren innerorts eine zuverlässige Erfassung zu vernünftigen Kosten gewährleistet werden kann.
Da Beleuchtung aber nicht in aller erster Linie zur Energieeinsparung da ist, muss das resultierende Licht die individuellen Anforderungen abdecken. Die zuverlässige Erfassung des Verkehrsteilnehmers reicht dazu selten aus. Ein Auto mit 60km/h und ein Fußgänger mit 5km/h haben einen völlig anderen Bedarf an die Beleuchtung. Übliche Sichtweiten in der Straßenplanung bei 60km/h sind 100m (Haltesichtweite) und 475m (Überholsichtweite). Lichttechnisch steht die Leuchtdichte der Straße im Mittelpunkt. Ein langsamer Fußgänger braucht dagegen vor allem Beleuchtung im direkten Umfeld. Kernkriterium ist die Beleuchtungsstärke. In Zonen mit hohem Sicherheitsbedürfnis werden zusätzlich vertikale und halbzylindrische Beleuchtungsstärken fixiert, um Absichten von anderen Verkehrsteilnehmern früher zuverlässig erkennen zu können. Ein Fußgänger kann sich dabei jederzeit schnell umdrehen und braucht demnach Licht nach vorne, wie auch nach hinten. Bei einem fahrenden Auto spielt das Licht hinter dem Auto eine untergeordnete Rolle.
Der Lichtbedarf verschiedener Lichtteilnehmer ist unterschiedlich. Eine Lichtblase stellt sicher, dass die Ansprüche effizient gelöst werden. Für den langsamen Fußgänger (unten) ist die Lichtblase symmetrisch und er hat vorne und hinten gleich viel Licht. Für den schnellen eBiker ist die Verteilung assymmetrisch.
Gute Sensoren und Systeme erkennen demnach nicht nur Verkehrsteilnehmer, sondern auch das Tempo und die Beschleunigung. Daraus kann eine intelligente Steuerung die individuelle Lichtblase berechnen. Unter einer Lichtblase verstehen wir den Bereich, der aufgrund der Bewegung jetzt hell wird. Diese Blase hat eine Geschwindigkeit und eine Ausdehnung, die dem Bedarf entspricht. Eine Lichtblase enthält in der Regel mehrere Lichtpunkte, d.h. der auslösende Sensor muss auch mehrere Leuchten ansprechen können.
Es hat sich bewährt das Licht außerorts komplett abzuschalten, wenn kein Verkehrsteilnehmer unterwegs ist. Innerorts ist abzuwägen. Wir Menschen sind relativ unsensibel auf Helligkeitsschwankungen, dagegen ist der Unterschied zwischen leuchtend und nicht leuchtend für uns sofort wahrnehmbar. So scheint es sinnvoll, auf die letzten % der Einsparungen zu verzichten und das Licht nicht komplett auszuschalten.
Wichtig für die Auswahl einer Lösung ist nun die Positionierung der Intelligenz und der Transfer der Steuersignale. Eine klassische Lösung ist PLC (Powerline Communication), bei der das Signal über das Stromkabel versandt wird. Kostengünstig ist dann eine zentrale Intelligenz im Verteiler, welche die Steuerung der Leuchten übernimmt und zusätzlich optional als Gateway in eine Smart City fungiert.
Eine interessante Alternative ist ein sogenanntes Mesh-Netzwerk, in dem die Leuchten und die Sensoren bestimmte Frequenzbänder für die kabellose Kommunikation nutzen und jeder Teilnehmer die Weitergabe der Information an seine Nachbarn übernehmen kann. Diese Strukturen sind gerade für das Internet of Things (IoT) zentral. Bekannte Stichworte im Datentransfer sind LoRaWan, NarrowBand-IoT oder im neuen 5G Standard das Datenset mMTC (massive Machine Type Communications). Das Zhaga Buch 18 normiert inzwischen auch die Schnittstelle zwischen Leuchten und den Steuerungsmodulen. So stehen heute technisch eine Reihe an Standards zur Verfügung, um ein offenes und standardisiertes Netzwerk einzuführen, ohne sich auf einen einzigen Anbieter festlegen zu müssen.
3. Die vernetzte Straße
Besitzt man solch ein Mesh Netzwerk in der Beleuchtung, gibt es sofort eine Reihe von Anwendungen, die sehr gerne die einfache Anbindung an die Datenstruktur nutzen würden.
- Monitoring, z.B. Lärm-, Emissions- oder Bewegungsdaten
- Serviceautomatisierung, z.B. via Füllstände in Mülleimern, Streugutbehältern, Hundeklos
- Energiemanagement, z.B. Batteriestandanzeigen
- Fußgängerleitsysteme, z.B. zur lokalen Wegeführung
- Informationsysteme, z.B. Wartezeiten an Schaltern und Haltestellen
- Autoleitsysteme, z.B. Parkplatzverwaltung und Information
- Eventmanagement, z.B. Versenkbare Poller, Elektroverteiler, Synchronisation
- Parkmanagement, z.B. Wetter, Boden, Bewässerung
- …
Sensoren für diese Anwendungen können am Lichtmast (z.B. Kameras) oder in den Gerätschaften im Feld (z.B. Füllstandsensoren) untergebracht sein. Da Straßenleuchten beinahe den gesamten öffentlichen Raum durchziehen und daher immer in der Nähe sind, muss die Sendeleistung verwendeter Sensoren nicht groß sein. Das Mesh-Netzwerk übernimmt automatisch den weiteren Datentransfer. Das Straßenbeleuchtungsnetz nimmt somit eine Reihe weiterer Anwendungen Huckepack.
Noch schöner, die Daten können auch dazu dienen, die Beleuchtung zu verbessern. Wenn ausgefahrene Poller eine Straße plötzlich teilen, wird der Bereich der Poller intensiver beleuchtet und die Lichtblase entsprechend angepasst. Bei Detektion von Gefahr durch Geräusche wie Glasbruch, Gewehrfeuer oder Hilferufe geht das Licht in einer Zone auf 100%. Kurz bevor ein Bus an der Bushaltestelle ankommt dimmt das Licht entsprechend hoch und sorgt für höhere Aufmerksamkeit.
Ein Mesh -Netzwerk in der Beleuchtung kann auch Signale von anderen Installationen übernehmen, hier z.B. Füllstandssensoren in Abfallbehältern.
4. Die smarte Stadt
In den seltensten Fällen ist eine Stadt eine komplette Neuinstallation, sondern wird schritt- und/ oder quartiersweise saniert. Eine ganze Reihe der Anwendungsfälle lassen sich in einer kleinen Straße oder im Verbund einiger weniger Straßen schon erleben, testen und umsetzen. Andere Anwendungen sind nach erster Umsetzung noch kaum relevant, profitieren aber von jeder weiteren Straße, die eingebunden wird. So ergeben sich schöne Quick Wins und langfristige Vorteile. Dabei kann situationsabhängig entschieden werden, ab wann der Zeitpunkt gekommen ist, die jeweiligen Anwendungen zu addieren. Die Sensoren müssen dazu nicht schon vorab beschafft werden.
Die Anbieter und vor allem die EU haben zudem eine Reihe von Konsortien und Initiativen gebildet, um Standards zu schaffen, die eine schrittweise Annäherung an die Smart City aus den verschiedensten Gewerken und Projekten erleichtern. Diese im Detail zu beschreiben würde hier zu weit führen, aber zumindest einige Eckpunkte für weitere Recherchen können wir hier geben.
Von zentraler Bedeutung sind hier
- das Management von IoT Geräten,
- das Handling von Datenstrukturen
- das Verarbeiten dieser Daten im entsprechenden Kontext
- die Gewährleistung der verschiedenen Sicherheitsaspekte
- die Monitoringaufgaben
Hier stehen heute bereits eine Reihe von Lösungen zur Verfügung.
- TALQ setzt einen Standard für Monitoring und Datenmanagement.
- FIWARE definiert Standards und Rahmenbedingungen um die Einrichtung von spezifischen, lokalen Plattformen zu erleichtern.
- MIM (Minimal Interoperability Mechanisms) von OASC (Open Agile Smart Cities) schaffen grundlegende Referenzarchitekturen und offene APIs für und von Smart Cities.
Als Folge gibt es TALQ- und FIWARE-ready Anwendungen und vergleichbare Pilotinstallationen auf Basis der MIMs. Im Falle können interessante Anbieter gezielt auf Ihre Haltung zu diesen Protokollen und Standards befragt und Ausschreibungen entsprechend gestaltet werden. Dies stellt sicher, dass die Installationen den zukünftigen Gedanken der Smart City schon enthalten. Aus Sicht smarter Straßen ist es beruhigend zu wissen, auf einen sicheren Backbone aufsetzten zu können, um sich voll und ganz auf die Wertschöpfung vor Ort zu konzentrieren.
5. Die Smarte Community
Neben all der Technologie lebt die intelligente Stadt der Zukunft von der Einbindung und der hohen Identifikation seiner Bürger. Heute wird als Mittel dazu häufig eine Bürgerbeteiligung durchgeführt. Dieser Prozess findet sehr häufig früh im Visionsprozess statt und spielt dabei auf einer sehr philosophischen und wenig greifbaren Ebene. Die Ergebnisse sind oft beeindruckend, wenn auch sehr ähnlich. Dabei werden hohe Erwartungen geweckt, die selten schnell erfüllt werden können.
Was wäre, wenn es eine Zone in der Stadt gibt, in der schnell intelligente Technologien und Anwendungen ausprobiert werden können und es sofort greifbare Ergebnisse gibt. Für Lösungen, die ohnehin große Vorteile bringen, ist dies ein hervorragender Test. Nebenbei lässt sich die Installation verwenden, um vorab zu prüfen, ob die Geräte einzelner Anbieter auch tatsächlich austauschbar sind. Für Anwendungen, deren Vorteile nicht so klar auf der Hand liegen, lässt sich jetzt Bürgerbeteiligung in einer ganz anderen Relevanz realisieren. Das Einbeziehen im Entscheidungsprozess eines Tests stellt sicher, dass die Diskussion im Rahmen der Möglichkeiten ablaufen und das Ergebnis des Prozesses auch schnell sichtbar wird. All diese Testoptionen lassen sich zudem auch öffentlich darstellen. Dies sorgt kontinuierlich für mehr Bewusstsein, gesteigerte Identifikation und einen positiven Grundspirit.
Bürgerbeteiligung in Entscheidungsprozessen. Realisierte Testinstallationen erlauben schnelles Feedback, sind konkret und schüren nicht falsche Hoffnungen.
Das „Living Lab“ des DOLL (Danish Outdoor Lighting Lab) ist ein Musterbeispiel für solch einen Ansatz. Hier haben sich mehrere Kommunen unter der Führung des Gate 21 zusammengeschlossen, um intelligente Lösungen entlang der Straße zu installieren, zu analysieren und mit Anbietern, Kommunen und Bürger zu diskutieren. Blickt man auf die Realisierungen in Dänemark in den letzten Jahren, kristallisiert sich dieser Ansatz als echtes Erfolgsmodell heraus.
Die Fragestellungen, die sich für Kommunen und städtische Serviceanbieter heute demnach stellen:
- Werden aktuell Straßen auf LED umgerüstet?
- Wurden die Möglichkeiten der Steuerung diskutiert und faktisch abgewogen?
- Macht es Sinn dabei eine Zone technisch so auszustatten, damit viele Anwendungen der Zukunft schnell realisierbar sind?
- Können weitere Stellen in der Kommune motiviert werden, um das kleine Zusatzbudget zu stemmen?
Fakt ist: Die Straße und Straßenbeleuchtung bieten eine hervorragende Basis, um die kommunale Infrastruktur intelligenter zu machen und die smarte Stadt schneller zu realisieren.