Plattformorientierte Geschäftsmodelle schließen Lücken zwischen Lieferanten und Verbrauchern. Die am stärksten wachsenden Unternehmen des letzten Jahrzehnts basieren auf dieser Idee. In vielen Branchen ging diese Entwicklung Hand in Hand mit einer Reihe von Tools und Konfiguratoren. Einerseits um den Endbenutzer bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen und andrerseits, um zusätzliche Varianten ins Portfolio aufzunehmen. Die Beleuchtungsbranche konnte davon noch wenig profitieren. Ideen wie parametrisches Design[1] und die jüngsten Entwicklungen in der Spielebranche bieten jetzt aber neue Möglichkeiten, um Endkunden, Designern, Lieferanten und Systemintegratoren das Darstellen, Auswählen und Erstellen exzellenter Beleuchtungslösungen erheblich zu erleichtern.
Lesezeit: 9 Minuten, Fokus: Experten der Licht- und Designbranche
Dieser Artikel ist die deutsche Übersetzung des Artikels "Gaming in the Lighting Sector -- A Game Changer?", von Wolfgang Bernecker, veröffentlicht in: LpR 81, LED Professional, Sept/Oct 2020, Dornbirn, 2020, mit freundlicher Genehmigung von Siegfried Luger.
Der erste magische Gegenstand in den Harry-Potter-Romanen ist ein „Deluminator“[2]. Als Lichtpassionist überrascht mich das nicht. Basierend auf der aktuellen Praxis ist die Möglichkeit, jederzeit und allerorts die Leuchten im Blickfeld auf Bedarf ein- und auszuschalten, wirklich magisch. Dies ist jedoch im wirklichen Leben möglicherweise keine gute Idee, insbesondere bei Leuchten, die uns Sicherheit in der Wahrnehmung bieten.
Im virtuellen Raum ist die Idee eines Deluminators jedoch eine echte Bereicherung. Licht und Lichteffekte können direkt erlebt werden. Lichtdesigner können eine Reihe von Funktionen hinzufügen, z. B. das Spiel mit Oberflächen, Farbtemperatur, Lichtverteilung, Höhen, Tageslicht, Sensoren usw. Die Liste an Funktionen, die in der heutigen Designpraxis noch nicht auf Knopfdruck zur Verfügung stehen, ist erschreckend lang. Desto mehr profitiert die Branche vom Entwicklungssprung.
Andere Branchen haben früher den Schritt in die virtuelle Welt gemacht. Der Fahrzeugkonfigurator ist ein typisches Beispiel. Heute können Menschen Ihr Auto nicht nur online erstellen[3], sondern auch über VR in sämtliche Prozesse eintauchen[4]. Später im Verkaufsprozess wird die endgültige Konfiguration zur Vertragsgrundlage und erlaubt neue Automatisierungsschritte in der Herstellung, z.B. automatisierte Bestellungen oder im Auto installierte Softwareoptionen. Für unser Gedankenexperiment erweitern wir daher unseren Deluminator um reale Sensoren und Leuchten, die nach der Planung automatisch die Parameter ihrer virtuellen Verwandten übernehmen. Die erstellte Planungsoberfläche wird nun zudem zur Visualisierung.
Bild 1: Ein Beispiel für einen simplen Beleuchtungskonfigurator. Die vereinfachte Architektur und Steuerung einer Reihe von Parametern ermöglicht eine schnelle Überprüfung produktbezogener Aspekte.
Realistische Beleuchtung in virtuellen Räumen ist ein Standard für viele Computerspiele und virtuelle Filmsequenzen. Dies war zweitrangig in Zeiten von Pacman und Tetris - Klassikern der Spielebranche aus Ihren Anfangsjahren. Heutzutage wurden die physikalischen Prinzipien unserer realen Welt längst in virtuellen Welten implementiert. James Camerons Klassiker „Avatar“ aus dem Jahr 2009 war sicherlich ein Türöffner für die Branche. Eine fantastische Welt mit einer Reihe unmöglicher Elemente, eingebettet in eine Umgebung, die uns in vielen Eigenschaften und Proportionen vertraut vorkommt. Mit den steigenden Erwartungen und dem zunehmenden Wettbewerb haben sich die Grenzen der Branche in den letzten Jahren stark verschoben. Der von Quixel produzierte Film "Rebirth"[5] oder Einblicke in "Control"[6], ein Computerspiel, das 2019 mehrfach ausgezeichnet wurde, zeigen deutlich, dass das komplexe Thema Beleuchtung heute in hoher Qualität dynamisch präsentiert werden kann. Wenn die Interaktion des Spielers auf die Beleuchtung - statt auf das übliche Gameplay - konzentriert wird, können heute mit Standard-PC-Leistungen sehr gute Ergebnisse erzielt werden. Immer noch gilt: Je größer die GPU, desto intensiver wird die wahrgenommene Qualität.
In den letzten Wochen haben wir erschwingliche Geschäftsmodelle entwickelt und analysiert. Die folgenden vier Varianten sehen wir für die kommenden Monate als sehr relevant an. Beispiele davon stehen online „On-Demand“ zur Verfügung. Kontaktieren Sie uns für einen Zeitslot und die Links zu den Projekten.
Mit einem virtuellen Showroom, der verschiedene Varianten und Stile umfasst, können (Groß)Händler, Auftragnehmer und Installateure Entscheidungsprozesse zu erschwinglichen Kosten schneller, effizienter und wertvoller gestalten. Die Kombination von Leuchten, Bedienung, Sensoren, Jalousien, elektrischen Geräten und Monitoringoptionen ermöglicht dem Benutzer schnelle Entscheidungen und Prioritätseinstellungen. Insbesondere Lösungen für Smart Homes und IoT-Anwendungen profitieren von einem virtuellen Showroom. Ein leerer Raum mit der Option für den Benutzer, eigene Varianten zu erstellen, ist ein Gewinn. Die Verbindung zu ERP-Systemen ist möglich.
Spezifische Produktkonfiguratoren sind eine massive Verkaufsunterstützung für Hersteller. Beispielstraßen, Parkplätze, virtuelle Büros oder Industrieumgebungen haben sich als Vorteil erwiesen. Die schnelle Variation der Lichtverteilungen, Lichtpunkthöhen, Montageoptionen und weiterer Optionen wie Tageslicht, Jahreszeit, Bäume, usw. bietet eine gute Grundlage für die Demonstration von Merkmalen, Vor- aber auch Nachteilen.
Bild 2: Dies ist eine Demonstration für einen anwendungsspezifischen Konfigurator. Mit einem Mausklick können Sie die Straßenklassifizierung in Echtzeit sowie die Abmessungen der Masten und Ausleger ändern oder verschiedene Beleuchtungsstrategien anwenden, z. B. die Smartnodes-Lichtblase.
Für größere und komplexere Projekte - leicht durch ein vorhandenes Bemusterungsbudget zu identifizieren - eignet sich ein interaktives Modell zur Designunterstützung. In den frühen Stadien werden grundlegende Varianten von Leuchten, Parametern und Materialien steuerbar gemacht. Während des Entscheidungsprozesses werden entscheidende Parameter entfernt und erweiterte Parameter freigegeben. Somit entwickelt sich das Modell im Prozess, bis alle Entscheidungen getroffen wurden. Dieses "Spiel" kann jederzeit - zusammen mit einer Feedback-Schnittstelle - verwendet werden, wenn eine Partizipation von Vorteil ist. Denken Sie zum Beispiel an ein kommunales Projekt mit dem Wunsch Bürger in die Entscheidungsfindung einzubinden. Ein einfacher Touchscreen im Rathaus - oder an zentraler Stelle in der Stadt - reicht dafür völlig aus.
Steueralgorithmen und personalisierte Benutzeroberflächen können in der virtuellen Welt entwickelt und entschieden werden. Anschließend wird die Lösung über entsprechende Hardwareschnittstellen mit der Realität verknüpft. Somit wird die virtuelle GUI zum realen Kontrollzentrum. Dies eignet sich besonders für Smart Home- und Pilotanwendungen, sowie für Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Bei Projektgrößen, bei welchen Dezentralisierung eine wichtige Rolle spielt, sollte die zentrale Intelligenz angemessen verteilt werden.
Dass wir die oben genannten Optionen diskutieren können, ist in erster Linie aufgrund des Fortschritts der Plattformen in der Spielebranche möglich. Erst dies macht die Optionen vernünftig finanzierbar. Beispiele hierfür sind die von uns bevorzugte Unreal Engine[7], Unity[8] oder die Cry Engine[9]. Auf diesen Editoren können interaktive dreidimensionale Welten erstellt werden. Diese Plattformen bieten außerdem kostenlose Programmierbarkeit und Zugriff auf physikalische Prinzipien, Materialien, Benutzeroberfläche und Steuerungsoptionen. Immersive virtuelle Realität ist genauso möglich wie einfache Weblösungen mit Pixel-Streaming.
Objekte können leicht in diese Welten integriert werden. Klassische Formate wie DWG, IFC, 3DS, OBJ oder FBX stehen zum Import zur Verfügung. Dies umfasst auch die Option der Integration intelligenter Objekte (z. B. BIM Building Information Modeling[10]), Stadtmodelle (z. B. Open Street Map[11]) und 3D-Skelettobjekte (z. B. Personen in Bewegung / Mixamo[12]). Um den virtuellen Raum leichter mit Leben zu füllen, wurden in den letzten Monaten mehrere Webplattformen eingerichtet und zugänglich gemacht. Dies vereinfacht den Zugang für die verschiedenen Bau- und designorientierten Industrien. Für Lichtdesigner und Zulieferer ist die Möglichkeit der Integration von IES-Lichtverteilungen auf der Grundlage des Lichtstroms von immenser Bedeutung.
Bild 3: Fortschritt ist nicht nur auf reine Computerleistung zurückzuführen. Eine Vielzahl von Disziplinen hat Lösungen und Ideen geschaffen, die „Spielen“ für die Baubranche interessant und erschwinglich machen.
Mit den oben genannten Optionen können virtuelle Welten erstellt werden. Mit wenig Aufwand können sie dem Fotorealismus sehr nahe kommen. Alle Funktionen einer Leuchte oder eines Gerätes können auf Knopfdruck verändert werden und die Auswirkung in der Umgebung live erlebt werden. Eine interessante Möglichkeit besteht darin, das Leuchtenbild und die Lichtverteilung getrennt voneinander zu modellieren, aber beide miteinander zu verknüpfen. Für die Vielzahl transparenter, halbtransparenter und metallischer Oberflächen, welche die Leuchten umgeben, gewinnen wir somit einen weiteren Vorteil im Vergleich zu den Standardwerkzeugen auf dem heutigen Beleuchtungsmarkt.
Der entscheidende Faktor für den Beleuchtungssektor ist vorerst die Schaffung einfacher Interaktionsschnittstellen. Der Open-Editor-Ansatz mit klassischen Programmiersprachen - hauptsächlich C oder C ++ - ist unterstützend. Designoptionen für grafische Programmierung[13] erleichtern den Einstieg und ermöglichen eine schnelle Anpassung an neue Projekte. In den letzten Monaten haben wir ein ganzes Arsenal an Menüs für die Beleuchtungs- und Installationsbranche entwickelt, die nach dem Lego-Prinzip für einzelne Anwendungen zusammengestellt werden können. Dies beinhaltet auch einfache Schnittstellen zu anderen Programmen und Programmiersprachen. TCP / IP, DALI, KNX und Bluetooth wurden bereits erfolgreich in unseren Projekten implementiert.
Um ein echter Game Changer zu sein, stellt sich die Frage der Begünstigten. Die Wahrscheinlichkeit eines Game Changer ist nur dann groß, wenn jeder am Vertrieb beteiligte Teilnehmer von der Entwicklung profitiert. Die zentrale Frage lautet also: Wer würde von einem optimierten Deluminator profitieren?
Bild 4: Dieses Projekt kombiniert KNX-Steuerungen, automatische Jalousien, Objektvariationen und einen HCL Beleuchtungsansatz unter Verwendung der zeit- und farbabhängigen Änderung von Farbe, Helligkeit und Richtung. Alle Ergebnisse und Konfigurationsmöglichkeiten geschehen in Echtzeit.
Wir sehen die Zeit reif für den Einsatz von Gaming-Ansätzen in der Beleuchtungsbranche. Die Beleuchtungsindustrie kann die Werkzeuge der Spielebranche mit geringem Aufwand einsetzen. Erste Projekte zeigen Erfolg. Die Zahl der Begünstigten ist enorm und Hindernisse gering. Die Architektur-[14] und Automobilindustrie sind gute Vorbilder und dienen als Referenz für Managemententscheidungen. Mit der elektronisch steuerbaren LED und Standards in der Steuerung ist das Branchenfundament hervorragend. Die große Aufgabe, Beleuchtung in IoT-Anwendungen zu vernetzen, wird als Katalysator dienen. Die kommenden Jahre bieten die Möglichkeit der Differenzierung für Early Adopters. Auf lange Sicht wird das „Spielen“ die Branche verändern und zu einem Hygienefaktor für alle Marktbeteiligten werden.
Der nächste Schritt: Lassen Sie uns wissen, dass Sie online eines unserer Musterprojekte testen wollen. Wir senden Ihnen dann Links und Zeitslot.
Als Unternehmensberater helfen wir in der Entscheidungsfindung oder erstellen erste Anwendungen für den internen oder externen Test.
Literaturhinweise