Überblick
Der folgende Artikel beschäftigt sich mit Status und Entwicklung von Echtzeitsimulationen im Bauhandwerk. Hier hat die Technik in den letzten Jahren so rasante Fortschritte gemacht, dass die Zeit reif ist, für innovativ orientierte Handwerksunternehmen, diese Technik einzusetzen. Dies trägt dazu bei, in der kommenden Konjunkturkrise, mit einer stärkeren Orientierung am Kundenwunsch aufzutreten und vor allem Kunden die Verunsicherung zu nehmen und Vertrauen zu schaffen. Damit wird Echtzeitsimulation eine tragende Säule in der Krisenbewältigung.
Ausgangslage: Vorbereitung auf Krisenzeiten
Wenn die Temperaturen steigen und Gletscher schmelzen, führen die Flüsse, die durch den Gletscher gespeist werden, erst mehr Wasser, bevor der Strom versiegt. Dieser Vergleich dürfte den Zustand des Bauhandwerks der kommenden Monate gut beschreiben. Wer sich jetzt nicht mit der zukünftig schwierigeren Lage beschäftigt, läuft Gefahr unvorbereitet in die Dürreperiode, bzw. die kommende Konjunkturkrise zu gehen.
Für die vorausschauenden Unternehmen sind folgenden Fragen ein guter möglicher Startpunkt für die Vorbereitung.
• Können Kosten reduziert werden, bzw. flexibler angepasst werden?
• Gibt es Felder und Anwendungsbereiche, die besonders gefördert werden?
• Kann ich den Wert von Leistungen und Optionen klar und deutlich machen?
Vorbilder in der Kundenorientierung
Abbildung 1: Individuelle Konfiguratoren sind im Autobereich heute sehr wichtig - aus gutem Grund. (Bild: www.pexels.com)
Wendet man diese Fragestellungen auf die Kundenbeziehung an, braucht der Kunde mehr denn je ein klares Verständnis seiner Kosten, seiner Förderoptionen und der Nutzen von Ihren Leistungen und Optionen zu seiner bevorzugten Anwendung.
Ein gutes Beispiel dieses Verständnis bei einer komplexen Lösung zu vermitteln liefern KFZ-Konfiguratoren. Das eigene Auto kann spielerisch zusammengestellt werden. Zahlungspläne, Motorenparameter und Innenraumausstattung liefern nebeneinander Kostenwahrheit, emotionale Impressionen sowie weitere Zahlen, Daten und Fakten. Die Anzahl derer, die das Auto bereits virtuell Probe fahren, steigt.
Der Konfigurator hilft zudem die Beratungszeit deutlich zu reduzieren. Gleichzeitig gewinnt das persönliche Gespräch an Bedeutung, denn es fokussiert sich jetzt auf die wichtigsten offenen Fragen und Prioritäten des Kunden. Zudem erhöht sich die Zufriedenheit mit der Leistung. Dies liegt auch an der höheren Identifikation des Kunden mit „seiner“ individuell zusammengestellten Lösung.
In der Baubranche liegt die Lösungskompetenz allerdings nicht in der Industrie mit großen Marketingabteilungen, sondern bei einzelnen Handwerkern und Gestaltern, die gemeinsam aus einer Fülle an Produkten verschiedenster Hersteller eine Lösung gestalten. Bis dato war der Aufwand für realistisch wirkende Echtzeitsimulationen zu groß und nur im Einzelfall durchführbar. Dabei war diese Art der Planung immer zusätzlicher Aufwand. Technisch hat sich dies aber geändert. BIM, Gaming, IoT und Rechnerleistung sind hier Stichworte, die den Fortschritt ermöglichen.
Abbildung 2: Die Kombination von Beamer, Tageslicht, Jalousie und Kunstlicht gehört schon zu den anspruchsvolleren Aufgaben und wird selten vorab simuliert.
Veränderte Rahmenbedingungen - Die Chance Echtzeitsimulation
Unter dem Stichwort BIM hat sich die objektorientierte Programmierung in der Baubranche eingenistet. Ziel ist, alle relevanten Parameter eines Produktes, in einem Objekt zu bündeln. Im Falle eines busfähigen Schalters sind dies die Abmessungen, die Form, die Farben, der Energieverbrauch, aber auch Variablen wie Adresse oder Schaltobjekte. Die Anzahl an guten Datensätzen der Hersteller steigt. Ebenso die Anzahl der frei verfügbaren Modelle und Materialien, welche physikalisch korrekt wiedergegeben werden.
Parallel hat die Film- und Spielebranche die Gestaltung virtueller Welten immens gesteigert. Dabei nimmt bereits im TV die Kombination von realen und virtuellen Szenen zu, ohne dass dem Zuschauer der Übergang noch auffällt. Im Schatten dieser Entwicklungen sind Softwareplattformen für Entwickler virtueller Welten geschaffen worden. Diese vereinigen Visualisierungsqualität und Simulation bzw. Spieleentwicklung. Vereinfachte Programmieroberflächen erlauben auch dem Interessierten einen schnellen Einstieg ohne detaillierte Programmierkenntnisse. Physikalische Prinzipien wie Licht, Temperatur, Material, Bewegung, Sensorik, aber auch komfortable Bedienung und Bewegung in diesen Welten sind dabei heute hinterlegt und offen nutzbar. Das Ergebnis ist auf allen möglichen Plattformen denkbar, von der Spielekonsole zu Mobiltelefonen.
Interessant wird die Vermischung von virtueller und realer Welt. Die Autobranche hat dies bereits verinnerlicht. Das virtuelle Projekt steuert, nach Freigabe durch den Händler, die Fertigungsstraße und sorgt dafür, dass die Fertigung der Kundenauswahl folgt. Schritt für Schritt folgen die Handgriffe dem virtuellen Resultat und dem Kundenwunsch. Einzelne Softwarekonfigurationen und Parameter werden dabei automatisch übernommen. Im Bauwesen steht diese Optimierung noch bevor. Hat der Kunde sich für Szenen und Visualisierung entschieden, werden schlicht die virtuellen Geräte durch Ihre realen Gegenstücke ersetzt. Die festgelegten Szenen und Algorithmen der virtuellen Lösung werden automatisch in den Steuerparametern hinterlegt. Die Steuerungsoberfläche, für die sich der Kunde vorher entschieden hat, wird auch real zu seiner Plattform. Die Visualisierung und Simulation ist damit kein Zusatzaufwand mehr, sondern wird zur realen Parametrierung der Anlage. Liegt unerwartet ein Fehler vor, kann virtueller und realer Zustand abgeglichen werden. Neue Funktionen können erst simuliert und dann freigegeben werden.
Das alles braucht Rechnerleistung. Dies war bis vor wenigen Monaten schlicht zu teuer. Für die Zusammenstellung der Simulation reichen handelsübliche Rechner heute aus. Braucht es in der Erstellung von Szenarien viel Rechenleistung, gilt dies nicht unbedingt für die Simulation selbst. Das Ergebnis hat auch auf Smartphones gut Platz. Preislich sind zudem mit den 1-Platinen-Rechnern Optionen geschaffen worden, die als Steuerungsoption im Haus gut ausreichen und den Mehrwert allemal rechnen.
Grundlage ist dabei nicht nur die Größe der Arbeitsspeicher, sondern auch die Anpassung der Rechnerinfrastruktur an aufwändige Spiele- und Streaminganwendungen. Grafisch aufwändige Prozesse laufen zum Beispiel parallel direkt auf eigenen Prozessoren. Middleware übernimmt die Optimierung, so dass der Anwender, sich nahezu ungebunden auf die reine Simulation der Szene konzentrieren kann.
Sinnvolle Anwendungen heute
Abbildung 3: Licht ändert Wahrnehmungen und Assoziationen. Im Schauraum bieten aufwändige Details auch gute Optionen Effekte von Licht gut zu erklären.
Die letzten Monate haben wir die Vor- und Nachteile der obigen Plattformen analysiert, gegenübergestellt und Lösungen für das Handwerk herausgearbeitet.
Der ideale Einstiegspunkt in Echtzeitsimulation sind eigene Konfiguratoren. Im virtuellen Schauraum sind Lösungen auf Knopfdruck umschaltbar bzw. parametrierbar. In unserem Schauraum für Beleuchtung können in Echtzeit einzelne Leuchten und Gruppen variiert, Szenen geschalten und Parameter wie Lichtfarbe, Dimmwert, Jalousieposition und Sonnenstand nach Bedarf reguliert werden. Leuchten können ausgetauscht und Lichtpunkthöhen angepasst werden. Dabei kann auch die Ausstattung variiert und Oberflächen bzw. Materialien angepasst werden. Ebenfalls können Produkte, wie Leuchten oder Schalter angepasst werden. Sensoren, wie z.B. Bewegungsmelder sind dabei aktiv. Aktivitäten können simuliert werden. Menschen bevölkern diese Räume und Autos befahren die Straßen. Ein Überblick über Energieverbrauch und Zustände ist jederzeit machbar. Der Raum eignet sich damit zum Stand-alone Betrieb, als virtueller Treffpunkt oder im VR Modus. Ein anfänglich leerer Testraum eignet sich zur freien Konfiguration. Die Oberfläche des Schauraums kann individuell gebrandet werden.
Solch ein Schauraum eignet sich für das Verkaufsgespräch, hilft im Vorfeld und Nachgang des Kundengesprächs sowie als Anziehungspunkt auf Messen. Während in Richtung des Kunden, die Leistung dabei kostenfrei ist, lässt sich die Ausstattung durch Product-Placement von Herstellern und Ihrer Produkte gegenfinanzieren. Zudem ist der virtuelle Schauraum eine kostengünstige Lösung im Vergleich zu realen Installationen und dabei viel flexibler.
- Das kundespezifische Projekt
Projektspezifisch kann das Kundenprojekt, je nach gewünschter Qualitätsstufe detailliert geplant und aufbereitet werden. Da die Module des Schauraums bereits viele Funktionalitäten abdecken und im Projekt wiederverwendet werden können, geht es in der Ausarbeitung in aller erster Linie um eine Anpassung an die räumlichen Gegebenheiten des Bauherrn. Der Aufwand ist hier nicht übertrieben hoch, liegt aber durchaus bei ein bis mehreren Tagessätzen Aufwand. Dies wird normalerweise vom Kunden übernommen. Besonders interessant wird diese Lösung, wenn das Ergebnis als Visualisierungsoberfläche dient und gleichzeitig Steuerungsaufgaben übernimmt. In dieser Form werden damit Kosten für spätere Parametrierung einfach in einen früheren Projektzeitraum verlagert. Indirekt hilft dies dabei in der Vorfinanzierung einer Ausführung.
Ein besonderer Auftragnehmer ist die öffentliche Hand. Diese muss die kommenden Jahre die Rolle des Konjunkturmotors übernehmen. Projekte und Investitionen sollten dort idealerweise transparent erfolgen und Bürger in die Entscheidungen einbezogen werden. Eine Echtzeitsimulation kann dabei lediglich als „Spiel“ exportiert werden und zum Beispiel auf einem TouchScreeen im Rathaus oder im Projekt positioniert werden. Ohne besonderen Mehraufwand können Bürger damit die zukünftige Installation nachvollziehen und Parameter, wie Tageslicht und Lichtszenen selbst verändern. Über eigene Feedbackknöpfe können Daten gesammelt und ausgewertet werden. Damit bekommt der Auftraggeber ein Tool in die Hand, um modern und partizipatorisch seinen Aufgaben nachzukommen und zu vermarkten.
Markterschließung und Ausblick
Abbildung 4: Die Visualisierung von Steueralgorithmen lässt auch verschiedene Perspektiven parallel zu. So kann eine Szene aus Beobachter, Fahrer und vom Rücksitz betrachtet werden.
Für alle drei Anwendungen haben wir erste Beispiele entwickelt und werden- aufbauend auf den ersten Erfolgen – die kommenden Monate die Beratungs- und Entwicklungskapazität in diesem Bereich ausbauen. Dabei starten wir in unserer Passion Licht- und Systemtechnik und addieren weitere Bereiche und Branchen im Laufe der Zeit. Folgende Schritte sind vorgesehen.
Mit einem Netzwerk an innovativ denkenden Installateuren perfektionieren wir Schauräume, schulen Produkte und optimieren Umsetzungsprozesse. Offen sind wir dabei für die Einbeziehung von Netzwerkpartnern des Installateurs, wie zum Beispiel des Großhandels. Dort hilft der jeweilige Schauraum als Tool zur Kundenbindung, Analysetool und zur Steuerung des Produktmixes.
Wir nutzen das Tool zur Darstellung und Optimierung eigener Produkte und Projekte, wie zum Beispiel menschlichT oder die smarte Straße. In Diskussion mit weiteren Herstellern, bauen wir Algorithmen zur besseren Darstellung des Kundennutzens aus.
- Schnittstellenoptimierung
Wir optimieren das Tool in der Zusammenarbeit mit verschiedenen Standards. Internet, DALI, KNX und Bluetooth Schnittstellen sind bereits eingerichtet und können bedient werden. Der Komfort und die Vielfalt jedes Standards werden dabei optimiert. Im finalen Zustand jeder Schnittstelle ist die Identifikation automatisiert und die Zusammenarbeit zwischen den Welten nahtlos integriert.
Wir begleiten unsere Aktivitäten durch Seminare und Weiterbildungen. Für die breite Anwendung schulen wir dabei den Schauraum, den Einsatz im Verkaufsgespräch und die Schulungen der jeweiligen Produkt- und Anwendungsneuerungen, teilweise in Verbindung mit Herstellern der Produkte, speziell wenn es um die USPs der Produkte geht. Gleichzeitig bieten wir auf Bedarf Schulungen im Bereich Visualisierung und Simulation an, um unser Know-How weiterzugeben und eigene Ergänzungen für Projekte selbst zu realisieren.
Im ersten Schritt arbeiten wir mit ausführbaren Dateien und Online Kollaborationen. Die Dateigrößen von ca. 100MB sind für Datentransfer ohne Probleme händelbar. Die Entwicklung einer Onlineplattform bzw. von speziellen Formaten z.B. auf Xbox oder IOS Tablets ist möglich, allerdings (noch) nicht erste Priorität.
Zusammenfassung
Mit der Echtzeitsimulation ergibt sich eine neue Möglichkeit technische Parameter und Kauderwelsch in echtem Kundennutzen darzustellen. Dies funktioniert gleichzeitig emotional und sachlich bzw. faktisch. Es ist dabei individuell und immersiv, ohne dass das Rad jeweils neu erfunden werden muss. Der Kunde wird dabei regelrecht in die Faszination Ihres Gewerks einbezogen und entwickelt ein Verständnis für den eigenen Nutzen. Dabei werden viele Berührungsängste abgebaut und Prioritäten, aus Sicht des Kunden, gesetzt. Dies schafft Vertrauen und Differenzierung. Mittelfristig erleichtert die Arbeitsmethodik die interne Vorfinanzierung und Realisierung. FutureACT und Elektro Bernecker haben hier gemeinsam Vorarbeit geleistet und werden diesen Weg Schritt für Schritt ausbauen.
Abbildung 5: Bereits die geografisch korrekte Arbeit mit dem Tageslicht verleiht Themen Spannung und unterstützt Entscheidungen zu Farben, Technologie und Gestaltung.